Im Jahr 1800 fand in Brunn am Gebirge, einer Marktgemeinde am südlichen Rand von Wien, die erste öffentliche Massenimpfung in Kontinentaleuropa gegen Pocken (Blattern) statt. Damit hatte in Österreich der Kampf gegen die verheerende Infektionskrankheit erfolgreich begonnen. Die Bevölkerung war begeistert und ließ sich impfen. Vier Jahre lang blieb Wien von den Pocken verschont!
Anfang des 18. Jahrhunderts erkrankten von 10 Personen 6 an Pocken. Durch Tröpfcheninfektion, d.h. Niesen oder Husten, wurde die Infektionskrankheit weitergegeben. Meist hatte die Krankheit einen tödlichen Verlauf. Jeder dritte Erkrankte starb. Die, welche überlebten, hatten oft ein entstelltes Gesicht. Sogar das Kaiserhaus rund um Maria Theresia musste einige Familienmitglieder zu den Opfern zählen.
Der in Konstantinopel arbeitende Arzt Timoni erfuhr von der schon alten Methode der Inokulation im Fernen und Nahen Osten. Ritzung der Haut und Einbringung von Pustelsekret Erkrankter machte immun gegen die Pocken. Europa war damals ziemlich schutzlos gegen die Krankheit. Maria Theresia erfuhr von dem Arzt von dieser Methode und ließ gegen Rat ihres sonst sehr fortschrittlichen Leibarztes und Medizinexperten Van Swieten ihre Kinder, die noch nicht erkrankt waren, so immunisieren. Am Rennweg in Wien ließ sie ein Inokulationszentrum eröffnen, wo sich jeder impfen lassen konnte. Doch die Bevölkerung war sehr skeptisch.
Der medizinischen Durchbruch gelang 1798 dem englischen Landarzt Edward Jenner durch Beobachtung einer Magd, die durch zufällige Ansteckung durch Kuhpocken immun gegen echten Pocken geworden war. Ihm gelang mit der ungefährlicheren "Kuhpockenimpfung" (Vakzination-vacca lateinisch Kuh) der Durchbruch. Es dürfte der in Leoben wirkende Arzt Peintinger gewesen sein, der als erster Arzt in Österreich noch im selben Jahr mit der Vakzination begann. Nach ersten erfolgreichen Tests in Österreich ging es 1800 in Brunn am Gebirge unter Leitung von Jean de Carro im großen Umfang gegen die Pocken los. Die Inokulation wurde verboten. Die Pfarrer wurden angehalten, den Messbesuchern die Wichtigkeit der Pocken-Impfung näherzubringen. Papst Clemens XIII. sprach sich für die Impfung aus. Bei Taufen übergab der Pfarrer den Eltern ein Schreiben mit den Vorteilen der Impfung. Fleißig impfende Ärzte wurden in der Wiener Zeitung erwähnt. Inzwischen hatten sich aber auch schon die Impfskeptiker organisiert. Sie meinten, die Menschen werden wieder zu Tieren (Kühen), wenn sie sich impfen lassen. Kuhhörner und Kuheuter werden den Menschen wachsen. So wurde von der Obrigkeit in indirekter Impfzwang eingeführt, d.h. so bekamen nur solche Kinder/Jugendliche ein Stipendium, die geimpft worden waren.
In den 1960er Jahren startete die Weltgesundheitsorganisation eine Pocken- Impfaktion rund um die Erde. So gelten die Pocken seit 1980 aus ausgerottet (außer in den Labors der Großmächte). In Österreich haben noch alle, die vor den 1970-er Jahren geboren wurden, eine sichtbare Ritzstelle in der Nähe des Schultergelenks. In den kommunistischen Staaten des Ostblocks wurde noch bis Anfang der 1990-er Jahre gegen die Pocken geimpft.